Fassadenberater? Was ist das?
Die Zeit bleibt nicht stehen und auch die Anforderungen an die Gebäude ändern sich. Heute ist es selbstverständlich, dass der Architekt einen Statiker benötigt und natürlich auch einen Vermesser. Oder jemand, der für ihn die Heizungsanlage durchplant. Nur bei der Fassade tun viele noch immer so, als wären wir im tiefsten Mittelalter.
Dabei hat sich gerade im Bereich der Fassade in den letzten 20 Jahren enorm viel getan. In der Zeit nach der ersten Ölkrise (die Älteren erinnern sich vielleicht noch an autofreie Sonntage und ans Fahrrad fahren auf der Autobahn) begann sich langsam das Bewusstsein durchzusetzen, dass die fossilen Energieträger nicht endlos zur Verfügung stehen. Aber es dauerte noch viele Jahre, bis seitens des Gesetzgebers wirksame Maßnahmen ergriffen wurden. Hinsichtlich unserer Gebäude haben wir heute die Energieeinsparverordnung, die hohe Anforderungen u.a. auch an die Gebäudehülle stellt.
Aber die Forderung, Energieverluste zu minimieren, ist nicht die einzige Anforderung, der sich die moderne Gebäudehülle heutzutage stellen muss.
Beispielhaft seien hier einmal genannt: Energiegewinnung, sommerlicher Wärmeschutz, Schallschutz, die Verwendung nachhaltiger Produkte, Brandschutz, Einbruchhemmung (manchmal auch Ausbruch). Und nicht zu vergessen: die sich immer wieder (lautlos) ändernden Regeln der Technik und die Vielzahl an Normen und Regelwerken.
Fachwissen - Ohne Spezialisierung geht es heute nicht.
Ein Fassadenberater ist i.d.R. ein Ingenieur / Architekt oder Konstrukteur, der sich auf das Gebiet der Gebäudehülle spezialisiert hat. Er verfügt damit über ein wesentlich tieferes Fachwissen, als es ein Architekt etc. haben kann. Der Fassadenplaner ist auf Grund dieses Fachwissens der kompetente Ansprechpartner für alle am Bau Beteiligten.
Unabhängigkeit
Ein Frage, die sich jeder stellen sollte:
Ist mein Fassadenberater unabhängig oder steht er woanders „im Lohn“? Vertritt er meine Interessen oder die einer Firma (z.B. Systemgeber Fa. Schüco, Wicona oder Wettbewerber)? Warum?
Freischaffende Wahrnehmung der Berufsaufgaben
Diesen Begriff definiert z.B. das Berliner Architekten- und Baukammergesetz wie folgt (§31):
- Freischaffend tätig ist, wer seinen Beruf unabhängig und eigenverantwortlich ausübt.
- Unabhängig ist, wer weder eigene noch fremde Produktions-, Handels- oder Lieferinteressen verfolgt, die unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit (als Ingenieurin oder Ingenieur) stehen.
- Eigenverantwortlich tätig ist, wer seinen Beruf selbständig auf eigene Rechnung und
Verantwortung ausübt. - Auf eigene Rechnung handelt auch, wer sich mit anderen freischaffenden Tätigkeiten zur gemeinschaftlichen Berufsausübung auf gemeinsame Rechnung verbunden hat.
Ein abhängiger Berater vertritt die Interessen der Firma, bei der er angestellt ist. Er hat den Auftrag Umsatz zu erzielen. Darüber hinaus ist die fachliche Kompetenz und Berufserfahrung (sofern vorhanden) häufig auf das von seiner Firma vertriebene Produkt beschränkt. Von den angrenzenden Gewerken hat ein abhängiger Berater oft weniger bis keine Fachkenntnis. Die Haftung ist oftmals gleich Null.
Haftpflichtversicherung
Ein unabhängiger Fassadenberater besitzt eine Berufs-Haftpflicht-Versicherung. Hinweis: Dies sollte im Falle einer Beauftragung vom Auftraggeber in seinem eigenen Interesse immer hinterfragt werden.
Für wen lohnt sich ein Fassadenplaner?
Im Prinzip für jeden. Für
- Architekten, weil dieser bereits im frühen Projektstadium Anregungen und Empfehlungen erhält, die er direkt in seinen Entwurf einfließen lassen kann. Nachträgliche Änderungen oder Überarbeitungen wegen „nicht baubar“ entfallen. Im weiteren Verlauf des Projektes hilft der Fassadenplaner bei der Optimierung, unterstützt bei der Ausschreibung und der Qualitätssicherung bis hin zum Mangelmanagement und der Objekt-Dokumentation.
- Bauherren / Projektentwickler, weil durch den Einsatz eines Fachplaners (gilt auch für alle anderen) sichergestellt wird, dass er vom Architekten eine optimale umgesetzte Fassade erhält. Wird der Fassadenplaner auch mit der BQÜ (Baubegleitenden Qualitätsüberwachung) beauftragt, so wird er die Leistung der Handwerker kontrollieren und das Risiko mangelhafter Leistungen weitestgehend minimieren (Mangelfrei gibt es übrigens nicht – wir sind alle nur Menschen).
- Bauträger / Generalunternehmer gilt im Großen und Ganzen das Vorgenannte. Im Rahmen von GU-Ausschreibungen kann er zudem Alternativen zu dem Leistungssoll prüfen und auf Fehler in der Planung hinweisen.
- Handwerker, weil Fassadenplaner, die sich auf die Werk- und Montageplanung spezialisiert haben, ihn bei der Arbeitsvorbereitung fachkompetent entlasten können. Er erhält einen unabhängigen Dritten, der ihn bei der Planung und Montage unterstützt.
- Gerichte / Streitigkeiten, weil Fassadenplaner auf Grund ihres Spezialwissens besser qualifiziert sind Schäden an Fassaden zu beurteilen, als die meisten für „Schäden am Gebäude“ bestellten Gutachter, denn dieses Bestellungsgebiet ist viel zu umfangreich / grob definiert.
Qualität des Fassadenplaners
Die Frage ist, wie findet man einen kompetenten Fassadenplaner. Hier ist die Situation vergleichbar mit der nach der Suche nach einem Architekten, Statiker, Rechtsanwalt oder Arzt.
Nachfolgend einige Empfehlungen:
- Referenzen einholen:
Entsprechen die Referenzobjekte dem Ihren? Welche Leistungen wurden erbracht? - Qualifikation:
Welche Ausbildung hat er? Welche Berufserfahrung?
Wie steht es mit der beruflichen Weiterbildung? - Stimmt die Chemie?
Der wohl wichtigste Punkt! Wenn Ihnen die Person nicht zusagt – weitersuchen. Nicht das Honorar über alles stellen! - Hat er eine Haftpflichtversicherung? Welche Deckungsbeiträge?
- Ist er unabhängig oder parteilich?
Worüber muss ein Fassadenplaner Bescheid wissen:
- Systeme – welche Systemhäuser gibt es, welche Produkte bieten sie an
- Konstruktionsarten – welche gibt es „von der Stange“, wann benötigt man objektbezogene Sonderlösungen
- Luftdurchlässigkeit, Schlagregendichtigkeit, Windlasten
- Wärme-, Tauwasser- und Schallschutz, Einbruchhemmung
- Statik und Bauphysik
- Brandschutz
- Bauwerksanschlüsse, Schnittstellen, Einbausituationen, Funktionsebenen
- Befestigung der Elemente, Abdichtung und Dämmung
- Verglasungsarten, Beurteilung der visuellen Qualität
- Sonnenschutz, Blendschutz, Tageslichtsteuerung, Lüftung, Sicherheitstechnik
- Energieverbrauch, Nachhaltigkeit von Bauprodukten und deren Umwelt-Verträglichkeit
- Barrierefreies Bauen
- Montage- und Bauabläufe
- Produktions- / Fertigungsabläufe
- Alte und neue Werkstoffe und Technologien
- Normen, Regelwerke, Gesetze , Bauvorschriften
- häufige Mängel an Fenster- und Fassadenkonstruktionen
- Baurecht
- Ausschreibung, Kalkulation, Bauleitung und Überwachung
- Qualitäts- und Mängelmanagement usw.
Diese kleine Abhandlung versteht sich als Denkanstoß. Entscheiden muss der Anwender.